„Die Stärke wächst im Geduldgarten“, sagt der Volksmund. Dies gilt auch von der Erkenntnis, der Gottesfurcht, der Weisheit und Einsicht. Im Advent sind wir eingeladen, diese Gaben des Geistes reifen zu lassen. Wir dürfen lernen, mit unserer Ungeduld geduldig zu sein. Wir möchten alles sofort. Aber das Wachsen unserer Beziehung zu Gott braucht viel Geduld, besonders wenn wir uns bedrängt, unwohl und unstimmig fühlen. Gott ist mit seiner Geduld nie am Ende. Unsere Geduld bringt Hoffnung hervor. Und Freude, wenn der Herr bei uns ankommt. Und Umkehr, wenn der Herr uns innerlich ergreift. Und die Hoffnung bringt Frucht hervor, wenn wir den Nächsten lieben. So wächst das Gute in Geduld und aus der Geduld, wie im anderen Sprichwort: „Geduld frisst den Teufel.“
In der Ersten Lesung aus dem Propheten Jesaja (Jes 11,1–10) leuchten zwei Gnadenworte auf: Gerechtigkeit und Treue. So wie ein Gürtel Halt gibt, verdeutlichen diese Worte Grundhaltungen Gottes uns gegenüber. Andere Gnadenworte, die im Alten Testament begegnen, sind: Friede, Wahrheit, Erbarmen, Huld, Gunst oder Gefallen. Damit wird kein Zustand ausgedrückt, sondern die lebendige Beziehung Gottes zu uns, die er Tag für Tag neu anbietet. Dabei öffnet Gott selbst unsere Wahrnehmungsfähigkeit für seine Treue und Gerechtigkeit. „Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jünger“ (Jes 50,4). Erkenntnis Gottes ist unsere Antwort auf seinen liebenden Blick, mit dem er uns erkennt. Diese Erkenntnis gibt unserem Leben Fülle, Ganzheit, Heilsein, Identität. Die Erkenntnis gehört zur Grundausstattung jedes Menschen, so wie das Wasser zum Meer gehört und es ohne Wasser kein Meer gibt. Der Geist Gottes lässt uns Gott erkennen, auf ihn zugehen, uns vor ihm verneigen, uns zu ihm sprechen. Der Advent ist geisterfüllte Zeit, in der wir unsere Beziehung zu Gott vertiefen können.
Paulus schreibt einmal von der „standhaften Hoffnung“ (1 Thess 1,3). Genau darum geht es im Advent. Wir stehen auf dem Boden der oft beinharten Realität und strecken uns hinaus und hinauf in den Lebensbereich Gottes. Wir halten unser Leben hinein in Gottes Wirklichkeit, um von ihm her alles zu erwarten. Hoffnung heißt ja nicht Erfüllung unserer Erwartungen („Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht?“ (Röm 8,24)), sondern die adventliche Erwartung, dass Gott alles zum Guten führt. Wir wissen nicht, wohin uns Gott führt, aber wir vertrauen, dass er uns führt. Dieses Vertrauen ist geprägt von Geduld und erweckt in uns Lob. Wir preisen sein Wirken und seine Qualitäten: seine Geduld, seinen Trost, sein Erbarmen. Davon redet Paulus in der Zweiten Lesung aus dem Römerbrief (Röm 15,4–9). Wir loben nicht bloß Gottes Größe und Macht, sondern genauso sein Erbarmen. So sind wir – in der Welt mit ihren Nöten stehend und auf Gottes Erbarmen ausgerichtet – mit den Menschen verbunden, die unserer Zuwendung bedürfen.
Im Evangelium aus Matthäus (Mt 3,1–12) ruft Johannes der Täufer zur Umkehr auf und nennt uns zusammen mit den Pharisäern und Sadduzäern „Schlangenbrut“. Wir sollten dieser Anklage nicht gleich entschuldigend ausweichen, denn wir sind tatsächlich oft in schlechten Gewohnheiten eingefahren, aus denen heraus Umkehr nottut. Zugleich erkennt Johannes die Begrenztheit seines Ansatzes. Er weiß, dass er hinter der Botschaft Jesu und dessen „Weg zum Guten“ zurückbleibt. Zwar spricht Jesus im Matthäusevangelium genau die gleichen Worte wie der Täufer: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 4,17). Aus der älteren Überlieferung bei Markus können wir aber Jesu Ansatz besser erkennen: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Vor jeder Umkehr steht die Zusage, die Zusage des Reiches Gottes, der Nähe Gottes, des Guten. Auf diese gute und frohe Botschaft dürfen wir im Advent besonders vertrauen und uns neu ausrichten. Nicht die Umkehr bringt das Gute hervor, sondern das Gute in uns, jene Stelle in unseren Herzen, die empfänglich ist für den Herrn, bringt Umkehr hervor. Johannes tauft nur mit Wasser, das das Böse abwäscht. Jesus aber tauft mit Feuer, das das Gute in uns entzündet, die Liebe, und er tauft mit Heiligem Geist, der die Hingabe an Gott und den Nächsten in uns weckt.